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Monitoring – Vorstellung von drei verschiedenen Werken

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GAN CHIMERA von Daniel Franke

Kurzer Ausschnitt der 3,5 minütigen Video-Installation

In einem kleinen dunkeln Raum direkt im Kulturbahnhof Kassel hängen mittig von der Decke drei Hochkantmonitore. Die Stille wird von einer KI-generierten Stimme durchbrochen und kurz darauf wir das Videotriptychon „GAN CHIMERA“ von Daniel Franke langsam auf den Bildschirmen eingeblendet.

„GAN CHIMERA“ präsentiert eine faszinierende Synthese von Mensch, Natur und Technologie, die über traditionelle anthropozentrische Grenzen hinausgeht. Die Videos zeigen biomorphe, rhizomatische, kristalline und technoide Strukturen, alles KI-genereriert, während die Stimme die „Vier Kränkungen der Menschheit“ thematisiert – von Kopernikus bis zur Erkenntnis, dass Intelligenz nicht exklusiv menschlich ist.

Franke’s Hypothese ist, dass Technologie uns freundlich gesonnen sein könnte, eine vierte Chance, uns als Teil eines Ganzen zu sehen. Die Arbeit entstand im Rahmen des „New Now Festival 2023“ in der UNESCO-Welterbestätte Kokerei Zollverein.

Doch die Frage bleibt offen: Kann die Menschheit tatsächlich eine harmonische Symbiose mit KI und der Natur eingehen? Insgesamt hinterlässt „GAN CHIMERA“ einen bleibenden Eindruck als kühnes Experiment im Spannungsfeld zwischen Kunst, Technologie und der Zukunft der Menschheit. Es regt nicht nur zur ästhetischen Reflexion an, sondern stellt auch eine intellektuelle Herausforderung dar, die den Betrachter dazu anregt, über die Grenzen von Mensch und Maschine hinauszudenken und die Potenziale einer artenübergreifenden Koexistenz zu erkunden.

MECHANICAL RESONANCE von Juejun Chen

Juejun Chens Video „MECHANICAL RESONANCE“ wird mit einer Einstellung eröffnet, in der eine Person in einem abgedunkelten Raum wiederholt in eine Ecke läuft. Dieser beklemmende Eindruck wird durch rechteckige Lichtprojektionen und das Geräusch von rhythmischen Klatschens von Füßen verstärkt. Der Betrachter wird so in eine Welt der mechanischen Bewegungen und der verborgenen emotionalen Belastung gezogen.

Eine Frauenstimme, begleitet von englischen Untertiteln, erzählt von einer Mutter, die ihren Körper mit der Maschine verschmelzen ließ, während sie Zahnräder formte – eine metaphorische Darstellung ihrer harten Arbeit in einer Fabrik.

Die Erinnerungen der Erzählerin an die Kindheit, geprägt von einer Mutter, deren Sehnsucht nach einem „freien Körper“ durch Tanz zum Albtraum wird, schaffen eine emotionale Resonanz. Die nachfolgenden Szenen von Tanzkursen in China, gefunden im Internet und auf Social-Media-Plattformen, bieten einen verstörenden Einblick in die Welt junger Mädchen, die zu mechanischen Bewegungen und Geräuschen synchronisiert werden. Das brutale Klackern, Klappern und Bohren begleitet ihre perfekt choreografierten, aber schmerzhaft wirkenden Bewegungen.

Chens persönliche Verbindung zum klassischen Ballett, das in China ab den 1950er Jahren zur Grundlage des Tanzes wurde, verleiht dem Werk eine zusätzliche Schicht. Die strenge Ausbildung als Kind führte bei der Künstlerin zu einer Hassliebe zum Tanz, der als beängstigende „Vereinheitlichung“ zum Zwecke der Staatspropaganda empfunden wurde.

Die zentrale Frage, wer den Körper als Instrument spielt, hängt über dem Video. Die Kombination aus künstlerischem Ausdruck, persönlicher Erfahrung und sozialer Kritik macht „MECHANICAL RESONANCE“ zu einem eindrucksvollen Werk, das die Mechanismen der Bevormundung und die Suche nach individueller Freiheit durch Bewegung beleuchtet.

„POLICE VS. SOCIETY – EINE KRITISCHE REFLEXION ÜBER DIE POLIZEIARBEIT UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF DAS LEBEN DER BETROFFENEN“ von Andric Späth

Andric Späths „POLICE VS. SOCIETY – EINE KRITISCHE REFLEXION ÜBER DIE POLIZEIARBEIT UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF DAS LEBEN DER BETROFFENEN“ ist eine Prozess-Skizze, die als dynamisches Archiv fungiert und den aktuellen Wissensstand über Polizeiarbeit in der westlichen Gesellschaft zeigt, sowie auch eine kritische Reflexion darüber ermöglicht.

Die Rauminstallation wird im Kubator des Kulturbahnhofs Kassel ausgestellt.

Neben zahlreichen Ausdrucken von diversen Texten und Bildern zu dem Thema, die an der Wand des Ausstellungsraums mit roten Fäden verbunden sind, gibt es eine virtuelle 3D-Umgebung durch welche man sich mit Tastatur und Maus bewegen kann. In dieser dreidimensionalen Archivumgebung stößt man auf Videoaufnahmen polizeilicher Handlungen, sowie auf detailgetreue 3D-Modelle von verschiedenen Einsätzen. Die immersive Erfahrung wird durch schlichte Texttafeln ergänzt, die als Grundlage für die theoretische Auseinandersetzung dienen.

Andric Späth (they/them), selbst ehemalige*r Polizist*in, integriert ihre biografische Einordnung und Aufarbeitung in die Installation. Dabei verzichtet die Künstlerin darauf, das Polizeisystem direkt zu kritisieren, sondern offenbart subtil verborgene Regelungen und Strukturen. Diese Herangehensweise führt die Rezipient*innen zu einer unausweichlichen Schlussfolgerung über die polizeilichen Praktiken.

Die Entscheidung, das theoretische Material in die digitale Landschaft zu integrieren, betont den prozessualen Charakter der Arbeit. Der Raum wird kontinuierlich aktualisiert, erweitert und weiterentwickelt – ein offenes Archiv ohne festen Abschluss. Diese Herangehensweise unterstreicht die Idee, Wissen als offenen und wandelbaren Diskurs zu verstehen. Die Betrachter*innen werden aktiv dazu eingeladen, sich in den Prozess der Wissensschaffung einzubringen. „POLICE VS. SOCIETY“ ist somit nicht nur eine kritische Reflexion über Polizeiarbeit, sondern auch ein künstlerischer Akt der Offenheit und des ständigen Wandels.

Von Meike Schalk, Benedikt Müller und Lucas Siehl